ELTERN WERDEN – KIND BLEIBEN?

Wenn ein neues Leben beginnt, dann verändert sich für uns Eltern sehr viel: neue Rolle, neuer Schlafrhythmus, neuer Alltag. Das meiste davon war uns zumindest abstrakt bewusst, als sich unsere Tochter ankündigte. Was wir allerdings weniger auf dem Schirm hatten: Wie sehr sich die Dynamik in einer (Groß-)Familie allein durch so ein kleines Wesen verändert.

Wir sind jeweils die ältesten Kinder unserer Eltern und tatsächlich auch die, die als erstes ein Kind bekommen haben. Wir haben unse­re Eltern zu Großeltern, unsere Geschwister zu Onkel und Tanten und teilweise zu Paten gemacht. Ein paar Beobachtungen dazu wollen wir gerne teilen:

Mehr Kontakt

Unsere erste gemeinsam Wohnung haben wir kurz vor unserer Hochzeit in Pforzheim bezogen, weder in der Nähe der einen noch der anderen Eltern. Auch wenn wir uns diesen Ort nicht aktiv ausgesucht haben, haben wir diese ersten drei Jahre unserer Ehe sehr genossen. Wir haben uns voll auf uns und unsere Beziehung konzentrieren können. Und was wir unseren Eltern sehr hoch anrechnen: Sie haben uns machen lassen und im besten Sinn „in Ruhe gelas­sen“. Im Lauf der Schwangerschaft hat sich gerade daran sehr viel verändert. Nicht nur wir hatten das Bedürfnis, wieder mehr und intensiveren Kontakt zu unseren Eltern zu haben. Auch von deren Seite merkten wir dieses Bedürfnis. So habe ich (Maria) seit Weihnachten – da haben wir unsere Schwan­gerschaft verkündet – mit meiner Mama so viel telefoniert wie noch nie zuvor. Wir haben gemerkt, es tat uns gut, zuerst die Zeit für uns zu haben. Aber wir freuen uns gerade auch sehr, unsere Freude und auch unsere Fragen mit unseren Eltern zu teilen.

Erfahrungen teilen

Etwas, das uns mehr und mehr bewusst wird: So ein Kind ist etwas sehr Verbinden­des. Allein das Erzählen von Erfahrungen bietet ein unerschöpfliches Gesprächsthe­ma. Mir (Maria) hat das auch den Zugang zu meiner Schwiegerfamilie nochmal mehr geöffnet. Mit meiner Schwiegermutter oder auch meiner schwangeren Schwägerin ein Thema zu haben, bei dem wir Erfahrungen teilen und uns gegenseitig bereichern, hat uns näher zueinander gebracht.

Neue Rolle

Nicht nur wir als Eltern bekommen eine neue Rolle, sondern auch unsere Eltern müssen oder dürfen in eine neue Rolle hineinwachsen: Sie sind jetzt Großeltern. Wir genießen es sehr, wie viel Freude sie dabei haben und mit wie viel Enthusiasmus sie sich hinein stürzen. Vermutlich ist das Großeltern-Werden gar nicht so einfach. Man hat ja alles selbst schon einmal erlebt, man hat so vieles, was man gerne teilen möchte und so vieles, an dem man am liebsten auch teilhaben möchte. Andererseits haben wir auch das Gefühl, dass unsere Eltern sehr bemüht sind, dass sie uns unseren eigenen Raum zum Hineinwachsen geben, wofür wir sehr dankbar sind. Indem wir lernen, was es heißt, Eltern zu sein, lernen wir unsere Eltern besser verstehen.

Übergänge gestalten

Wir haben viele Übergange während der Schwangerschaft und rund um die Geburt unserer Tochter sehr bewusst gestaltet. Die Veränderungen, die in unseren Herkunfts­familien damit einher gehen, waren uns so nicht von Anfang an bewusst. Aber wir merken mehr und mehr, dass wir auch diese Übergänge wertschätzen und gestalten können. Der Rollenwechsel hilft uns auch, die Rollen in der Großfamilie neu zu begrei­fen – auch wenn diese Veränderung wieder ein neues „Einarbeiten“ für alle in der Familie bedeutet. Wir sind sehr dankbar, dass wir uns gleichzeitig auf Augenhöhe mit unseren Eltern befinden und dennoch immer auch Kind bleiben dürfen.