TAUSCHE KRAWATTE GEGEN HAMMER!

Stefan T. hatte Betriebswirtschaftslehre studiert und
eigentlich war alles klar. Doch dann baute er für seine kleine Familie um – und bekam plötzlich Sehnsucht nach echter Handarbeit.

Vor knapp zehn Jahren hattest Du Wirtschaftsingenieurwesen studiert und deinen Abschluss in der Tasche. Gutes Geld und eigentlich alles klar. Dann folgten Familiengründung und Hausumbau.
Was ist da passiert?

Stefan T:
Während dem Schreiben meiner Bachelorarbeit haben wir unser neues Zuhause erweitert und renoviert. Zeitgleich liefen die ersten Vorstellungsgespräche. Ich war und bin fasziniert von Technik. Meine Bachelorarbeit und Studentenjobs habe ich damals bei einer Firma gemacht, die Wasserkraftwerke baut. Schon ziemlich cool. Allerdings wollte ich da nicht „einfach“ in der Qualitätsabteilung irgendwelche Standards schreiben. Also nicht nur theoretisch oder am Schreibtisch tätig sein, sondern möglichst schon am Objekt, was Handfestes. Andere Stellenangebote waren mir zu weit weg oder haben mir inhaltlich nicht zugesagt.
Parallel habe ich daheim viel mitgeschafft und auch die Arbeit auf dem Bau als etwas sehr Erfüllendes kennengelernt. Der Wunsch, noch was Handwerkliches zu lernen, wurde immer größer. Bauen mit Holz ist etwas enorm Vielfältiges. So kam es dann, dass ich mich am Ende dazu entschieden habe, noch eine Ausbildung zum Zimmerer zu machen.


Ich stelle mir vor, dass das ein unglaublicher Sprung ins Ungewisse war. Was hat deine Frau dazu gesagt? Wie seid ihr da gemeinsam zu einer Entscheidung gekommen?

Für meine Frau war die Sache schon viel früher klar. Sie hat den Schritt immer befürwortet, nie gezweifelt und fand es immer gut. Mir fiel die Entscheidung nicht so leicht. Alles zog sich über mehrere Monate. Was mir die Entscheidung am schwersten gemacht hat: Mein Studium habe ich auf einer kaufmännischen Lehre aufgebaut. Jetzt stellte ich meinen ganzen bisherigen Weg in Frage. Zudem habe ich bis dahin ja auch immer alles gern und mit Überzeugung gemacht.
Auch mein Studium fand ich immer spannend. Ich war nie unzufrieden oder gelangweilt. Nur habe ich eben auf dem Bau gemerkt, dass mir das Praktische fehlte. Was ich noch dazu sagen muss: Meine Frau war damals bereits als Lehrerin verbeamtet. Das hatte den Vorteil, dass wir finanziell erstmal nicht von meiner Entscheidung abhängig waren. Und so kam ich am Ende zu dem Entschluss: jetzt oder nie.


Wie hat sich das dann alles entwickelt?
Habt ihr nochmal gezweifelt?


Als feststand, dass ich die Ausbildung machen werde, war auch klar, dass wir in ein paar Monaten unseren ersten Nachwuchs bekommen werden. Also habe ich mit meinem Ausbildungsbetrieb vereinbart, die Ferienzeit unentgeltlich vorzuarbeiten, was ich dann wieder ausgleichen konnte, als unsere Tochter auf die Welt kam. Quasi selbsterarbeitete Elternzeit.
Gezweifelt habe ich nur zweimal. Einmal hat ein Vorarbeiter auf einer Baustelle nicht viel von „Studierten“ gehalten und hat nicht versucht, es zu verbergen. Einen derartigen Umgang kannte ich bis dato nicht. Das stellte unter Beweis, dass ein Job mit den Kollegen steht und fällt. War aber auch eine Erfahrung wert.
Das zweite Mal war bei einer Sanierung und ich durfte als „Stift“ den ganzen Tag alte, gammlige Glaswolle ausbauen. Währenddessen habe ich mich immer wieder gefragt, ob ich mir das wirklich geben muss. Aber das gehört eben dazu.

Inzwischen bist du kein Zimmermann mehr. Du übergibst als Bauleiter jungen
Familien ihren Haustürschlüssel. Was sagst du heute? Alles richtig gemacht?

Ja. Inzwischen habe ich noch den Zimmermeister gemacht und arbeite nun bei einem sehr tollen Holzhausbau-Betrieb. Nach drei Jahren hier habe ich in die Bauleitung gewechselt, was tatsächlich alles mit sich bringt, was ich suchte: Ein modernes Holzhaus ist ein technisch sehr anspruchsvolles Produkt. Die ganze Haustechnik, wie Wärmepumpe mit Erdwärme, gehört zu meinem Verantwortungsbereich. Es werden jeden Tag technische Lösungen gebraucht. Ich kann viel planen und bin aber trotzdem täglich auf der Baustelle. Das Tolle am Handwerk ist, dass man jeden Tag sieht, was man mit seinem Team geleistet hat. Auf jeden Fall alles richtig gemacht!

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